Mal ganz ehrlich : Wenn man hierzulande an Japan denkt, denkt man doch irgendwie schon zuerst an ein technikbegeistertes, reisefreudiges Land, an Samsung und Motorola. An Musik denken da die wenigsten. Anders wohl bei der Gruppe an Menschen, die gestern ab halb 9 Abends den Eingang der Kranhalle im Feierwerk belagert haben, um die japanische Post-Rocker von
MONO zu sehen - einer Band, die sich rein instrumentalen Post-Rock der besonderen Sorte auf die Fahnen geschrieben hat.
Instrumental mal anders - das dürfte wohl das Motto von Anton Kaun alias
RUMPELN gewesen sein, der vor MONO das Publikum einstimmen sollte. Was man dann zu hören und zu sehen bekam, war eine Grenzerfahrung seinesgleichen. Wer braucht schon eine Gitarre, wenn er einen Laptop, Videoschnipsel, allerlei Effekte, Keyboards, Salzstangen- und Erdnusspackungen, Mikros, einen Gameboy und eine Menge abgedrehter Ideen haben kann ? Keiner. So siehts zumindest Anton Kaun und verwebt Videos vom Rumpeln eines Trollys über Asphalt und Steine, vom Sägen einer Kreissäge, von auf Eimer und Kartons fallende Bälle und Aufnahmen früherer Metalexperimente mit oben genannten Spielzeugen zu einer Mixtur aus Lärm & Geschrei : tobend, stampfend, wütend. Ein Experiment, was beim Studentensender M94.5 seinerzeit zu Hörerbeschwerden gefüht hat und was man auch nur dann zumindest ansatzweise verstehen kann, wenn man es live gesehen hat, wie dieser Mensch auf der Bühne für 30 Minuten ein völlig anderer wird und das pure, aber doch kontrollierte Chaos praktiziert.
Anders waren dann die Japaner von
MONO. Was die Band um Takaaakira Goto (Gitarre), Tamaki (Bass), Yasunori Takada (Schlagzeug) und Yoda (Gitarre) auf der Bühne fabriziert, ist mit konventionellen Stilbeschreibungen nicht zu fassen und verbindet die Gegensätze leiser Melodien und lauter, mächtiger und kontrollierter Ausbrüche zu einer unverwechselbaren Mixtur.
So winden sich leise, delaygeschwängerte Gitarrenlinien, melodiös und zerbrechlich, langsam durch die Kranhalle, bis langsam Bass und Schlagzeug einstiegen. Die Gitarren beginnen ihr Spiel zu intensivieren, sie bilden ein Netz, ein Geflecht aus Melodien und ziehen den Zuschauer unweigerlich in ihren Bann. Dieser wird dann immer mehr mit auf eine Reise in sein Innerstes genommen - die sich langsam aufbäumenden Gitarren fangen den Zuschauer auf, bis sie ihn in einem Ausbruch von mächtigen, sich mehr und mehr aufbäumenden, verzerrten Soundwänden immer mehr in die Höhe tragen und dann auf einmal - Stille. Dem Zuhörer zieht es den Boden unter den Füßen weg, er fällt, als sich Gitarren, Bass und Schlagzeug schlagartig zurückziehen, im freien Fall hinab. Doch eine einzelne tragende Melodie bleibt zurück und fängt den Hörer sanft wieder auf, um ihn im nächsten Moment mit einer Wand aus verzerrter Melodie regelrecht an die Wand zu pressen und nicht mehr loszulassen. Selten hat man so viel Gefühl, Aufgewühltheit und Emotion, soviel Trauer aber auch Schönheit, soviel Nachdenklichkeit und Momente der Freude in Musik entdecken können - und das obwohl die Band in keinem einzigen Song auch nur ein Wort sprach. Das Publikum war von Intensität mehr als beeindruckt - anders bleibt es auch nicht zu erklären, dass zur meisten Zeit des Konzerts im Publikum keine unangenehme, sondern nahezu andächtige Stille herrschte, nur dann durch Klatschen unterbrochen, wenn die Band nach ihrem extatischen Spiel mit einer sanften Verbeugung signalisierte, dass der Song zu Ende sei.
So war in vielen Facetten dieser Abend ein Abend der besonderen Sorte gewesen - und für mich persönlich eines besten Konzerte diesen Jahres, sowohl was Intensität, Authentizität und was die Stimmung betraf. Manchmal bedarf es eben auch keiner großen Party, keiner großen Location oder keiner großen Worte, um viel zu auszudrücken und staunende Besucher zu hinterlassen.
Text von Schneidermeister